Bringt neue Gentechnik mehr Pestizide? 

“Enkeltaugliches Österreich“: Bio garantiert Versorgungssicherheit und unabhängige Landwirt:innen

Laut einem Verordnungsentwurf soll „Neue Gentechnik“ zukünftig nicht mehr gekennzeichnet werden. Folgen wären mehr Pestizide und Abhängigkeit von großen Agrarkonzernen. Die Biobewegung “Enkeltaugliches Österreich“ spricht sich für Biolandwirtschaft als Lösung aus.   

Wien, im Juni 2023 – Die EU-Kommission stellt am 5. Juli neue Vorschriften zur Gentechnik vor. Ein Verordnungsentwurf zeigt, dass bestimmte Pflanzen der „Neuen Gentechnik“ künftig ohne Kennzeichnung und ohne ausreichende Risikoprüfung auf den Markt kommen könnten – darunter fallen unter anderem auch Prozesse wie Crispr/Cas-Genscheren.

Der Plan kann so aber nicht aufgehen: Es ist illusorisch anzunehmen, dass mehr neue Gentechnik zu weniger Pestiziden führt. Eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts würde großen Agrarkonzernen eine noch stärkere Kontrolle über den Saatgutmarkt geben, damit langfristig den Pestizideinsatz erhöhen und unsere Bäuer:innen abhängig machen. Draufzahlen würden dabei vor allem die Umwelt und Biodiversität. 

Einfache Rechnung: Mehr Gentechnik bedeutet mehr Pestizideinsatz

Die EU-Kommission plant eine Lockerung des europäischen Gentechnikrechts. Dementsprechend sollen bestimmte Pflanzen, deren Erbgut durch neue gentechnische Verfahren verändert wurden, in Zukunft nicht mehr unter das Gentechnikrecht fallen. „Für unsere Umwelt und Biodiversität hätte das sehr große Auswirkungen“, erklärt Dr. Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur Wien. „In der Debatte um die Neue Gentechnik werden wieder viele hehre Ziele, wie die Reduktion des Pestizideinsatzes, ins Feld geführt. Tatsache ist, dass es bereits Patentanmeldungen für gentechnisch veränderte Honigbienen gibt, die gegen Neonicotinoid-Insektizide resistent gemacht wurden. Neonicotinoide wurde in Europa für den Freilandeinsatz verboten, unter anderem, weil sie stark bienengiftig sind. Patente auf herbzidresistente Kulturpflanzen sind ohnehin auf der Tagesordnung. Das sind Anzeichen dafür, dass es hier nicht um Nachhaltigkeit oder Pestizidreduktion geht, sondern eher ums Gegenteil. In jedem Fall ermöglicht das die Fortsetzung eines pestizidintensiven Agrarsystems und für die biologische Vielfalt würde das nichts Gutes bedeuten. Außerdem gibt es immer noch keine umfassende ökologische Risikobewertung für den Freilandeinsatz dieser genmanipulierten Organismen“.

Es finden sich bereits viele Beispiele: In Ländern, in denen gentechnisch veränderte Lebensmittel erlaubt sind, wurden in den letzten 25 Jahren keine Pestizide eingespart. Brasilien hat den Verbrauch beispielsweise in den letzten 20 Jahren vervierfacht. Lösungen, um Pestizide zu vermeiden gibt es: vorbeugender Pflanzenschutz und die ökologische Aufwertung der Flächen stehen dabei im Mittelpunkt. „Geht es nach der guten fachlichen Praxis, sollten Pestizide ja eigentlich nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden, wenn sonst gar nichts mehr hilft“, bestätigt Zaller. Für Landwirt:innen muss es sich allen voran wirtschaftlich lohnen, keine Pestizide zu verwenden.

Die Lösung: Umstieg auf Bio und nature based solutions

Nur eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion können die globale Ernährung dauerhaft sichern und gleichzeitig Lösungsansätze für enorme Herausforderungen wie die Klima- und die Biodiversitätskrise, den hohen Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen und die Belastung der Umwelt liefern. Die größte unabhängige Biobewegung „Enkeltaugliches Österreich“ ist davon überzeugt, dass Bio-Landwirtschaft und deren Weiterentwicklung die einzige nachhaltige Lösung ist. „Ob Bio die Welt ernähren kann, hängt nicht nur von den Erträgen, sondern auch vom Grad der Lebensmittelverschwendung, sowie dem Konsum tierischer Lebensmittel und dem damit verbundenen Kraftfuttermitteleinsatz ab. Derzeit ändern sich unsere Konsumgewohnheiten schon spürbar in die richtige Richtung und pflanzenbasierte Ernährung wird von immer mehr Menschen angenommen. Nur in der EU-Politik scheint dieser Trend noch nicht angekommen zu sein“, erklärt Barbara Holzer-Rappoldt, ETÖ-Vorständin und strategische Leiterin. Eine Steigerung der Produktion ist langfristig keine Lösung, da diese bereits stark optimiert und ausgereizt ist. „Immerhin werden ungefähr ein Drittel der weltweit hergestellten Lebensmittel verschwendet, das sind 1.3 Milliarden Tonnen – diese Zahl sollte man unbedingt bei einer Lockerung des Gentechnikgesetzes berücksichtigen, denn sie beweist, dass wir nicht auf mehr Ertrag angewiesen sind und diese Umstellung gar nicht benötigen“, so Holzer-Rappoldt weiter. 

Auch für die Geldbörse zahlt sich Gentechnik nicht aus: Während sich in den letzten Monaten vor allem Produkte aus dem Niedrigpreissegment stark verteuert haben, ist der Preis von Bio-Produkten deutlich weniger angestiegen. Sie bieten aufgrund ihrer echten Regionalität, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung langfristig stabile Preise und verursachen viel weniger Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden, welche in Zukunft noch weitere, sehr hohe, Kosten bedeuten. „Es ist wichtig, dass wir vor allem jetzt in einer Inflationskrise unsere Bio-Bauern und Bäuerinnen nicht von großen Agrarkonzernen abhängig machen. Wenn Gentechnik nicht mehr gekennzeichnet werden müsste, hätten jene Konzerne eine noch stärkere Kontrolle über den Saatgutmarkt“, macht Holzer-Rappoldt aufmerksam. „Bio bietet eine regionale, unabhängige Zukunft für Österreich – so machen wir Österreich enkeltauglich.“